Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

08.10.2020

Gott, du kannst ein Arsch sein

So lautet der Filmtitel zum gleichnamigen Buch. Der Film läuft seit zwei Wochen in den Kinos. Das Taschenbuch ist schon seit vier Jahren zu haben, derzeit in einer Neuauflage. Es erzählt die Geschichte von Stefanie Pape, die mit 15 Jahren erfuhr, dass sie an Krebs erkrankt ist, und 296 Tage später starb. In ihrem Tagebuch beschreibt Stefanie, was im Leben wirklich zählt, welche Träume sie hat und wie sie sich vom Leben verabschiedet. Eine hoch emotionale Reise durch 296 Tage voller Liebe, Enttäuschungen, Hass, Wut und Rebellion – und ein berührender Einblick in das Sterben. So steht es auf der Buchrückseite.

Der Titel könnte glatt als Gotteslästerung verstanden werden. Stopp! Das wäre zu kurz gedacht und zu schnell und in die falsche Schublade einsortiert - finde ich. Genau genommen ist dieser Titel, dieser Schrei, dieser Vorwurf, diese Klage nichts anderes als ein Gebet. Ja, doch, so darf man auch mit Gott sprechen. Die Psalmen sind voll von solchen Schreien, die Not und Elend, Unverständnis und Vorwürfe enthalten, über das, was im Leben von Menschen geschieht. Eine eigene Gattung wird in der Bibel so benannt: die Klagepsalmen. Menschen werfen ihren Ballast Gott vor die Füße. Stefanie lässt sich diese Anklage in die Haut tätowieren: Sie wird eins mit diesem Schrei.

Ist Gott sauer, wenn er so angesprochen, so angeschrien wird? Wie reagiert er? Gott hält so eine Anklage aus. Gott erwartet geradezu, dass wir mit unserem Schmerz und Unverständnis zu ihm kommen. Gott lässt das Leid in dieser Welt zu. Er ist nicht der Verursacher und er hat auch keinen Gefallen daran, dass Menschen leiden. Trotzdem: Viele Fragen bleiben. Schmerz und Trauer auch. Der Titel ermutigt: Gott, ich werfe dir die Scherben meines Lebens vor die Füße. Auf der Rückseite des Buches steht, dass sich Stefanie für diese Anklage entschuldigt. Warum eigentlich? Wo soll ich mit meinem Frust, meiner Last, meinen Sorgen und meinem Unverständnis denn hin, wenn nicht zu dir, Gott? Der Vater von Stephanie berichtet in einem Interview: Steffi hat ja nicht gejammert, dass sie sterben wird. Sie war ein junger Mensch, der versucht hat, jeden Tag, der ihr blieb, zu genießen.

Mit manchen Diagnosen zerplatzen Träume. Welches Fazit ich persönlich daraus ziehe, bleibt mir überlassen. Entweder gebe ich den Glauben an einen liebenden Gott ab. Oder ich nehme das Angebot an, das die Bibel mir macht: Ich lasse mir Hoffnung und eine Perspektive im Leben schenken. Ich gebe Gott die Möglichkeit, mich durch das Leid zu begleiten und zu tragen.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Ihr Pastor Burkhard Heupel
Ev. Emmaus-Gemeinde

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